Peter Hase

Zeiten, die verändern

Eine Woche nur, in der genug passiert um nicht mehr wie bisher weiter zu machen. Wenn die eigene Welt erschüttert wird und man sich kaum mehr festhalten kann, werden die Hände die einem zur Hilfe gereicht werden weniger und die wenigen aber standfester. In diesen Sekunden sieht man auch die Personen die bei einem möglichen Absturz nur zusehen und wie stark man selbst darum kämpft, nicht abzurutschen.


Was ist passiert? Das, wovon ich immer schweißgebadet aufgewacht bin. Ein Kaninchen ist aus dem Gehege aus unerklärlichen Gründen verschwunden. Nicht aus dem großen gesicherten, aus dem angebauten mobilen, welches aber auch gesichert und unter Aufsicht ist. An diesem Nachmittag aber war ich wohl zu unaufmerksam und es ist passiert dass Peter, mein Alpha -Rammler unbemerkt entkommen konnte. Die anderen sind ihm bei Ausbruchsversuchen immer gefolgt und im Garten verblieben, diesmal ist nur er weg und wie vom Erdboden verschluckt.

Wir haben sofort gesucht, bis Mitternacht. Die Nachbarsgärten, Holzstapel, Büsche, die Felder, im Wald, abends suchen wir noch täglich weiter. Es gibt keine Kampfspuren, keine anderen Spuren. Hinter dem Haus gibt es weite paradiesische Kaninchenfelder mit Bärenklau, Höhlen, aber in diese kommt auch der Fuchs hinein. Im Wald ist es fast unmöglich ein wildfarbenes Kaninchen zu finden. Er ist ein sanftmütiger, in seinen Reaktionen langsam. Ich hoffe inständig dass er sich in Menschenhähe in einem Garten versteckt.

Während mein Umfeld langsam weg bricht, genug gesucht, er ist zu weit weg.. ist und war Aufgeben für mich niemals eine Option. Der Aufruf wurde online geteilt, ich habe Zettel aufgehängt und Leute direkt angesprochen. Die Reaktionen reichen von kompletter Ignoranz bis zu falschem Mitgefühl. Für manche wäre es so einfach zu helfen, sie tun es aber nicht.

Andere hingegen nehmen Strapazen auf sich um zu helfen. Sie wissen was ein Tier bedeutet, was ein Leben bedeutet, was es mir bedeutet.

Ich habe diese Woche nicht nur ein Kaninchen verloren, sagen wir es so. Eine solche Situation trennt mit einem klaren Schnitt von Menschen, die deine Zeit vergeuden. Für die meine Aufrichtigkeit zu schade war. Meine Hilfe, meine Zeit. Denn jetzt brauch ich sie.

Es sind zusätzlich noch mehrere Dinge passiert, weg gebrochen, bei manchem bin ich mir nicht mehr „so sicher“, abgesagt (wodurch sich mein ganzes nächstes halbes Jahr ändert), ein Hamster der nicht mehr gewollt wurde verstarb nur Tage nach seiner Rettung durch einen Tumor der stärker war als seine ganze Lebensfreude, erst vor zwei Wochen verstarb eines meiner ältesten Kaninchen, es ist einfach zu viel. Das Verschwinden von Peter ist der berühmte letzte Tropfen.

Was ist mit mir zwischen all den helfenden, abweisenden und zeigenden Händen? Ich bin wieder wach, ständig. Voller Adrenalin halt ich mich fest, spür aber dass ich wenn ich runter schaue, abrutsche. Sobald ich den Gedanken ich schaffe es nicht zulassen würde, rutsche ich. Die helfenden Hände können mich zwar kurz halten und ich schätze sie gerade so sehr, aber am Ende bin ich dann doch zu schwer für sie. Es ist auch wie ein Gefühl des Kippens.

Ich sehe mich nicht am Abgrund liegen, ich sehe mich aber auch nicht mehr lachen oder fröhlich weiter machen. Irgendwann kletter ich von selber wieder hoch und mach halt weiter. So wie immer. Die Leute werden mir wieder hinterher rennen: Christina Christina hilf mir, was hältst du davon, ich brauch das, warum hast du.. ich hoffe ich bin weit genug vorne dann, dass ich sie nicht mehr höre und die Stimmen meiner Eltern, grundsätzlich zu jedem freundlich und zuvorkommend zu sein, endgültig leiser als meine eigene Stimme sind.

Ich habe es satt immer wieder das Gute in Menschen zu sehen, die am Ende nur das Gute in mir für sich nutzen wollten. Ich brauche meine Energie um nicht aufzugeben. Diese Unaufrichtigkeit nimmt mir Mut und Kraft! Und ja verdammt, ein Kaninchen ist es wert. Mir ist es jeder Vogel wert, jede Biene. Haben das nicht alle endlich kapiert? Alles in meinem Leben ist wie eine einzige große Reaktion auf Dinge die mich berühren, wo Stimmlose oder schwächere Fühlende Hilfe brauchen, wo Ungerechtigkeit herrscht, wo andere den Mund halten. Das ist mir mehr wert als falsche Freundschaft, falsche Beziehungen, gesellschaftliches Ansehen, Heuchelei, Geld und ja, ich habe ein schlechtes Gewissen wenn es mir gut geht und gleichzeitig geht es Millionen anderer Lebewesen schlecht! Und nicht weil ich ein GUTMENSCH bin die sich dadurch selbst heilen will, sondern weil es direkt aus meinem Herzen kommt und ich nicht anders kann. Schön ist das auch nicht, seine Gefühle offen darzulegen und sich dafür angreifbar zu machen. Sich dafür zu rechtfertigen. Es ist echt hart und viel härter ist es hart zu Menschen zu sein, die mich nicht so sehen und wo einfach gar keine Liebe ist. Keine Liebe für die eigene Umwelt, die weitreichendere Umwelt, für mich, keine wirkliche Liebe, Liebe, die erkennt.

Ja, das trifft es. Es braucht Liebe in so einer Situation. Hier braucht ein schwächeres Wesen, egal ob es ein Mensch oder ein Tier ist, Hilfe. In dieser Situation beides, nämlich Peter und ich. Ich denke ich empfinde es so intensiv weil ich mir wahrscheinlich zu viel erwarte. Ich erwarte mir Hilfe aus dem selben starken Gefühl, wie ich es empfinde wenn ich sonst eine dieser helfenden Hände bin. Oft bin ich nicht die Abrutschende, meistens bin ich die sich ohnmächtig fühlendende Verzweifelte, die auch noch die Hand runter streckt, wenn das Wesen bereits tot am Boden liegt. Menschlichkeit ist doch zu helfen, aus dem Gefühl heraus, oder hab ich mich mein Leben lang getäuscht? Zu schwach?

Ich möchte mich nur mehr an den wenigen Punkten orientieren, an denen ich Liebe finde. Ich merke sehr wohl wo ein anderes Gefühl vorherrscht. Das ist mein Vorteil in all den schmerzhaften Gefühlen, die unweigerlich auf mich einbrechen und die ich dabei  mit – zulasse.

Lieber Peter, ich bin hier und suche dich. Selbst wenn ich in der Arbeit bin, suche ich dich. Ich gebe dich nicht auf, aber durch dich gebe ich vieles auf, was nicht gut für mich war. Ich wünsche mir so sehr, dass du dich in der Nähe versteckst und heim findest. Bitte verzeihe mir, wenn ich etwas falsch gemacht habe. Es tut mir sehr weh dich nicht mehr beobachten zu dürfen, dein wunderbares Fell nicht mehr zu riechen, du fehlst im Gehege. Du warst immer der Streitschlichter. Dein Weibi Goldi trauert. Sie hält Ausschau, so wie ich. Wir geben dich nicht auf, nie.

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