Zur Banalität des Bösen

Neulich in einer Facebook – Diskussion über PelzträgerInnen gefallen: Die Banalität des Bösen. Die Worte haben mich elektrisiert.

Vor allem auch wegen den jüngst vorkommenden furchtbaren Aktionen gegen Flüchtlinge.

Ich habe drüber nachgedacht und mit Leuten gesprochen, was sie unter der „Banalität des Bösen“ verstehen. Auch habe ich herausgefunden dass es bereits ein Buch mit diesem Titel gibt (Hannah Arendt), ich würde aber gerne meine eigenen Gedanken dazu unvoreingenommen formulieren. 

Nun, ich suche noch nach einem Wort. Einem Wort, welches diese Art Mensch beschreibt, von dem ich im Folgenden schreibe. Es ist nicht „ungebildet“, denn viele Menschen haben keinen Zugang zu Bildung, sind aber emotional äußerst intelligent. Es ist auch nicht wirklich „empathie – los“, denn Empathie empfinden diese Menschen, nur eben für eine schreckliche Sache. Es ist eine Mischung zwischen Ignoranz, starker Ichbezogenheit mit gleichzeitig fehlender Fähigkeit zur Reflexion und einem hohen Maß an Gewaltbereitschaft, die nicht mal selbst ausgeführt werden muss, die auch befriedigt wenn sie ein anderer ausführt bzw. in Auftrag gegeben wird.

Diese Menschen sind überall, man kann nicht sagen, da und dort häufen sie sich. Manchmal tun sie sich zusammen und es kommt zu solchen Vorfällen wie in Ostdeutschland. Ich persönlich sehe den Grund darin, dass diese Menschen „leer“ sind. Schlicht und einfach.. banal? .. leer oder auch, bis oben hin voll mit Wut, die alles andere verdrängt. Wut, die entstanden ist aus unreflektierten ihnen zugetragenen Geschehnissen die ihnen „ins Bild passen“, persönlichem Versagen und der fehlenden Möglichkeit, die sicher in jedem Menschen vorhandenen positiven „skills“ zu fördern und dafür Anerkennung zu bekommen. Diese Menschen haben bisher noch nichts erschaffen, wofür sie ihrer selbst wegen bestärkt werden, sie reflektieren sich nicht, sind nur in der Gruppe und an falscher Stelle mutig, der Mut reicht nicht aus um sich alleine dagegen zu stellen, wenn etwas falsch ist. Deshalb sind sie stolz auf etwas, was gar nichts mit ihnen zu tun hat wie zB ihr Vaterland. Viele schließen sich auch an die vermeintlichen Alphamännchen oder an die Am-Lautesten-Brüller an, da es in der Gruppe leichter ist zu überleben. Dieses „stolz sein auf Nichts!“ lässt sich auf vieles anwenden. Ich empfinde dies auch so, wenn Menschen stolz auf eine kürzlich erworbene Markenklamotte sind. Oder ein Auto. Vielleicht auch ein Grund, warum Menschen trotz Aufklärung Pelz kaufen. Blind um Anerkennung zu bekommen, Anerkennung, die im Endeffekt keine ist, weil sie nicht sagt: Du bist toll. Sie sagt: Das was du behauptest ist toll, das was du um dich rum hast ist toll, aber du..

Trotzdem ist damit noch nicht alles erklärt, es muss ja zusätzlich noch „etwas fehlen“ wenn Menschen im Stande sind anderen Gewalt anzutun bzw. für etwas Geld auszugeben, wo Gewalt ausgeübt wird, ausblenden zu können dass die eigenen Taten Leid zur Folge haben. Was mit Sicherheit fehlt, ist die Verbundenheit. Ich (und das tut oft sehr weh, ist aber auch sehr schön) fühle mich verbunden mit den stillen Wesen in meiner Umgebung, die sich nicht zur Wehr setzen können. Haben sie Schmerzen.. möchte ich helfen. Sei es ein Mensch, ein felliger Mitbewohner, ich fühle mich auch mit den Bäumen verbunden. Auf meinem Heimweg wird eine neue Tankstelle gebaut, vor einem Wald. Dazu wird mit schweren Baggern Boden ausgehoben, wie vielen Lebewesen wird hier der Lebensraum genommen bzw. werden getötet? Weiter hinten wird mit den Baggerschaufeln Waldboden, wunderschönes Moos, einfach rausgerissen. Es ist für mich fast nicht zu ertragen. Wenn ich dran denke wie wunderschön es ist dort zu sitzen, welch Ruhe, der Friede und die Tiere, die sich langsam annähern, ist diese Vorgehensweise reine Gewalt, ich spüre es wie wenn mir jemand Gewalt antut. Für Beton. Für Geld. Welches niemals bezahlen kann, was hier zerstört wurde. Ich möchte von tiefstem Herzen nicht, dass Zerstörung passiert- geht es gegen sie, geht es gegen mich. In Anbetracht der fortschreitenden Ausbeutung unserer Erde und ihren Lebewesen ist das ein ganz schönes Himmelfahrtskommando aber nein, ich möchte nicht tauschen mit jemandem, der ausblendet oder nicht weiter drüber nachdenkt, dass für ihre neue Jacke ein Tier gehäutet wurde. Es ist außerdem nicht so, dass ich mir das antrainiert oder mich dazu entschieden habe. Anders gehts nicht.

Banalität ist für mich also ein „Nichtverbundensein“ und macht es erst möglich, etwas Böses zu tun. Banalität verhindert, seine Taten hinterher in Frage zu stellen und umgeht somit unangenehme Gefühle, Schuld. Weder die Seele noch das Herz werden in Bewegung gebracht, der Körper bleibt in Aktion und Dinge zu überschreien oder Schwächeren weiterhin seine vermeintliche Macht zu beweisen, hilft auch, sich selbst nicht zuzuhören. „Macht“ ist meiner Meinung nach auch Geld. Ich gebe mit meinem Geld schreckliche Dinge in Auftrag (Pelz, Fleisch) und dies hat alles nichts mit mir zu tun, denn ich bin ja nicht dabei. Es führt jemand anderer für mich aus, der der eigentliche Böse ist. Es machen alle so, ich schließe mich an. Ich messe meinen Wert an der Menge Geld, die ich verdiene und welche Dinge ich mir damit kaufe. Ich sehe auf Bildern was in der Welt passiert und distanziere mich. Ich fühle mich damit nicht verbunden und noch weniger verantwortlich. Das ist für mich Banalität. Das Gegenteil von Mut wäre eine passende Folgereaktion auf diesen.. nennen wir es mal „Vorwurf“, von mir. Was will man schon tun, man kann es eh nicht ändern…

Ich denke doch, man kann. Diese wahren Gefühle, sofern man noch Zugang dazu hat, sind tief begründet und hinter ihnen steht die Zukunft unseres ganzen Planeten. Der Schlüssel ist Aufmerksamkeit, Information zur Orientierung und Mut zur Abgrenzung. Die Zeit und die Gesellschaft „passieren“ nicht mit mir, ich bin ein Teil des Ganzen und kann es gehörig zum Erschüttern bringen und so Veränderung erwirken.

Peter Bieri, ein Schweizer Philopsoph, hat in zwei Worten eine wahre Errungenschaft unserer heutigen Zeit formuliert, die neben Wissen und Bildung meiner Meinung nach auch aus der Bereitschaft entsteht, Banalität zu überwinden und das Verbundensein zuzulassen:

Gedankliche Unbestechlichkeit.

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