Geothermalgebiet

Eine Herangehensweise an den Journalismus

Gedanken über die weiblichen 20er Jahre, 5 Türen, Schauspiel, aktivistischen Journalismus, Chancen und Niederlagen am Stammtisch.

In den letzten Wochen habe ich eine (Radio -) Journalismus – Ausbildung absolviert. „Gib uns ein Feedback“ hieß es am Ende. Ich konnte ein Bild zeichnen. Nicht unbedingt das Feedback welches sie hören wollten, aber eines zu mir.

Wäre ich 20 hätten sich durch diese umfangreiche, breit gefächerte Ausbildung 5 neue Türen aufgetan und durch jede, ja jede, hätte ich gehen wollen. Schauen, geben, 100%, Energie investieren! Jetzt, mit 35 möchte ich nur mehr durch eine gehen. Ich weiß dass in der Tür „Zeitung“ extremer Zeitdruck und Stress wartet und dass ich am Ende ausgelaugt sein werde. Und ich weiß, mit 35, das will ich nicht. Durch die Tür „Schauspiel“ wollte ich lange und oft gehen. Als ich dann tatsächlich kurz durchgespäht habe habe ich schnell bemerkt: huch, ich kann das gar nicht. Da nämlich, als von mir verlangt wurde mich in einer frauenverachtenden Situation als Frau zu unterwerfen. Unmöglich. Ich kann nicht schau – spielen. Die Tür „Karriere aber strenger Chef und wenig Zeit“ hau ich gleich zu. In Anbetracht der schwindenden Jahre (die jemand Älterem von einer 35jährigen wahrscheinlich lächerlich vorkommen aber durch gesundheitliche Probleme mehr als deutlich werden) ein klares NEIN. Mit Kopfschütteln blicke ich auf die 20er zurück, in denen ich mein Privatleben geopfert habe weil

  • ich unbedingt die Arbeit behalten muss, froh sein soll um sie, bloss nichts hinterfragen
  • dem Chef, jeder Autorität gehorchen sollte, auch wenn sie keine ist
  • ich erst dann was wert bin wenn ich einen bezahlten Job habe
  • ein Auftrag vom Arbeitgeber wichtiger ist als das Kind zuhause, der freie Abend oder der Feiertag
  • Angst
  • ich unreflektiert zu tun habe was gefordert wird, wenn es auch ungerecht oder komplett sinnlos ist und mein eigentliches Können, meine eigentliche kreative Energie und meine Ausbildung komplett missachtet werden

Traurig um diese Jahre. Falsch gemacht. Eindeutig. Krieg sie nicht mehr zurück, hab meine Gesundheit und meine kostbare Zeit verkauft. Und ich denke diese Bereitschaft ist unter weiblichen Anfang – Mittzwanzigern weit verbreitet. Deshalb (und wegen dem Geld) stellt so mancher Arbeitgeber lieber eine junge als eine erfahrene Frau ein.

Jetzt will ich nur mehr durch diese eine Türe, die ich klar vor mir sehe.

Und nicht weil ich bekannt, berühmt, fotografiert, dargestellt, bezahlt oder verfolgt werden möchte, ich als Person. Als solche möchte ich ein Niemand sein, da Ruhe unbezahlbar ist. Ich möchte gelesen und gehört werden wegen der Tiere, wegen dem Planeten. Ich möchte Journalistin sein, ja, aber keine objektive. Mal davon abgesehen dass es die … sowieso nicht gibt. Die Frage ob ich Aktivistin oder Journalistin bin, ist sofort beantwortet. Wäre von mir eine objektive Berichterstattung gefordert, ginge das nicht. Das reine Darstellen von Fakten ist mir nicht möglich, ich möchte verändern. Reportagen sind möglich. Mit Geräuschen, beschreiben von Umgebungen, Stimmungen, Gefühlen.

„Die Christina und ihre Appelle“ hieß es. Ich kann nicht ohne. Ich finde nun mal dass über diese Dinge berichtet werden soll: Artensterben, Umweltzerstörung, Klimawandel, das Verbrechen an unseren Mitlebewesen. Jeden Tag, jeden Tag sollte darüber berichtet werden. Mit Bildern, so wie es ist. Bildern auf den Fleischpackungen, Bildern zwischen dem Trash TV, in den Zeitungen, im Radio, auf Facebook. Unignorierbar. Das ist nicht nur wichtig für mich, das ist wichtig für alle, für eine Zukunft. Gut, manche Informationen sind ja jetzt schon da, deshalb ist es klar die Entscheidung eines jeden einzelnen, was er/sie daraus macht.

Täglich frage ich mich kopfschüttelnd: Wollen die Leute wirklich Beautytipps? Ist es so leicht das tatsächliche Geschehen zu verleugnen, sich zu distanzieren? Mein Fleisch kommt vom Ja natürlich Schweinchen das auf der Weide lebt, lacht wie in der Werbung und ist deshalb glücklich gestorben? Ich hab mich dem Ganzen nichts zu tun bzw. ich bin es mir wert? Weiters frage ich mich warum Menschen in der Öffentlichkeit mit großer Aufmerksamkeit diese nicht auch für wichtige Themen nutzen. Stabiler bleibt man wohl wenn man sich immer nur mit dem scheinbar Positiven konfrontiert. Aber hey, wir sind nicht auf dem Planeten um ihn schlechter zu verlassen als wir gekommen sind. Schon wieder ein Appell. Tut mir leid. Nein, tut es mir nicht.

Ich bin eine aktivistische Journalistin (in ihren Anfängen) die offen Emotion zeigt, die oft in Empörung übergeht. Ich kann es nicht verstehen dass die essentiellen Themen scheinbar wenig interessieren, dass unsere räumliche Distanz oder die Vertuschung vom tatsächlichen Geschehnis rechtfertigt, dass wir uns nicht damit konfrontieren. Oder interessieren die Themen doch, nur keiner sagt was? Ja was soll man das auch liken? Es ist ja nicht schön. Nachdenken aber vielleicht? Darüber reden, das fände ich wichtig. Passiert das? Verändere ich durch mein geschriebenes, gesprochenes Wort irgendwas? Falls ja: ICH DANKE DIR VON HERZEN.

Auf einem Seminar (ich besuche unglaublich viele Seminare in letzter Zeit) ging es um Argumentationstraining gegen Stammtischparolen. Auch da war dieses Thema Thema. Ich habe mittlerweile ja fast schon resigniert. Der Referent meinte, selbst wenn frau weinend den Tisch verlässt, sich von einer starken Contra Gruppe provozieren, beleidigen und diskriminieren hat lassen müssen verändert dies was. Nichts bleibt so wie es ist, wenn es ausgesprochen oder gelesen wurde. Ich bin mir nicht sicher. Ich denke nicht dass ich gegen Traditionen, starre Vorurteile, Gewohnheiten, antrainierte Scheinsicherheiten, Allianzen oder gefährliches Halbwissen ankomme.

Dazu sehe ich zu jung aus, bin zu weiblich und zu emotional. Dinge, die jetzt gerade negativ scheinen und eigentlich positiv sind. Eine Chance bekomme ich dadurch aber bei vielen trotzdem nicht. Nur bei denen – und so scheint es – die mich wirklich, wirklich mögen und versuchen meine Gedankenmuster zu verstehen. Weil sie durch diese „Liebe“ zulassen, dass Dinge die mich berühren auch sie berühren. Dann passiert Veränderung. Aber wie soll ich es schaffen viele Menschen zu berühren? Sie dazu zu bringen mal über etwas Unangenehmeres nachzudenken und neben die starr eingefahrenen Scheinsicherheiten zu treten, nur mal probieren?

Ich weiß es nicht, mein Versuch sind momentan die Medien. Geschriebenes, gesprochenes Wort. Mit Offenheit und Ehrlichkeit. Ständig versucht nicht zu emotional über das Gegenüber hereinzubrechen, aber gelingt eben nicht. Das ist mein Journalismus.

 

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